Wenn Sie sich an den trockenen und heißen Sommer 2020 in Europa erinnern, werden Sie vielleicht von der Qualität des Brunello di Montalcino aus genau diesem Jahrgang überrascht sein, der ab Januar auf den Markt gekommen ist. Die Weine sind nicht marmeladig oder übermäßig alkoholisch. Die meisten zeigen eine sehr attraktive Frische und Helligkeit der Frucht. Diese Struktur macht sie äußerst attraktiv, um sie jetzt zu trinken, aber auch, um sie in den nächsten 10 bis 12 Jahren – und in einigen Fällen noch länger – reifen zu lassen. Eine beeindruckende Frische, die einige Brunello-Produzenten auf die nächtlichen Schwankungen während der kurzen Hitzeperiode zurückführen, als die Temperaturen am frühen Morgen bei etwa 26 Grad Celsius lagen.

In den nächsten Wochen und Monaten werden viele 2020er Brunello und natürlich auch ausgewählte Riserve aus dem grandiosen Jahr 2019 den Weg in unser Lager finden. Wie immer haben wir Ihnen nachfolgend einige der wichtigsten Kritikerstimmen aufbereitet.

Monica Larner (Robert Parker's Wine Advocate)

"Mit dem Brunello di Montalcino 2020 könnte ich nicht zufriedener sein. Nach der Verkostung hatte ich vor allem zwei Gedanken: 1. sind das die Weine, die ich trinken möchte und 2. ist das der Jahrgang, den Montalcino braucht. 2020 war ein Jahr, in dem wir während der COVID-19-Pandemie in unseren Häusern eingeschlossen waren. Für die Winzer war es eine Gelegenheit, innezuhalten, nachzudenken und mehr Zeit zwischen den Rebstöcken zu verbringen. Ich habe das Gefühl, dass dies viel wichtiger war, als sich das irgendjemand hätte vorstellen können.

Dank einer Kombination aus großer Hitze und rechtzeitigem Regen hat der Jahrgang 2020 Weine hervorgebracht, die man am besten als charmant oder grundsätzlich schön beschreiben kann. Dieser Jahrgang hat nicht die Konzentration von 2019 oder die fokussierte Kraft von 2016, aber die Weine sind seidig, frisch, direkt und fruchtbetont. Sie bieten ein breites Spektrum an süßen Fruchtaromen von Wildkirsche und Wassermelone bis hin zu Blutorange. Dazu kommen schöne florale Nuancen und elegante mineralische Noten, die von meinem Lieblingsboden der Toskana, dem schottischen Galestro-Ton, stammen und im Jahr 2020 in unvergleichlicher Brillanz erstrahlen. Dank der geschliffenen Tannine und der appetitanregenden Säure sind sie sicherlich direkter und zugänglicher.

Und warum ist dies der Jahrgang, den Montalcino braucht? Ich vermute, dass die Einschnitte durch die Pandemie die Kreativität der Winzer angeregt hat und sie einzigartige Lösungen gefunden haben, um mit dem Klimawandel umzugehen. Riccardo Campinoti von Le Ragnaie, dessen Weinberge auf dem höchsten Punkt der Appellation liegen, glaubt, dass mit einer neuen Generation ein grundlegender Wandel in Montalcino eingeleitet wird. "Junge Leute, die gut genießen, machen den Unterschied", sagt Campinoti, "Ich habe das Gefühl, dass der Brunello in gewisser Weise ein wenig verblasst ist, aber er bewegt sich wieder in die richtige und eine neue Richtung, weil er wieder kraftvoll und dynamisch geworden ist." Wine Advocate

Antonio Galloni (Vinous.com)

"Nach über zwei Jahrzehnten der Stagnation in Bezug auf die Produktionsrichtlinien hat Montalcino kürzlich eine Reihe von Änderungen angekündigt, die sich erheblich auf die Kategorien Rosso di Montalcino DOC und Brunello di Montalcino DOCG auswirken werden. Das offizielle Fünf-Sterne-System zur Bewertung der Jahrgänge wurde komplett überarbeitet. Das Sahnehäubchen ist die Erstellung einer neuen Karte, die vom Consorzio del Vino Brunello di Montalcino in Zusammenarbeit mit dem Master of Wine Gabriele Gorelli veröffentlicht wird. Inmitten all dessen steht die Veröffentlichung des mit Spannung erwarteten Brunello 2020 und natürlich der Brunello Riserva 2019.

Man kann sehr viel über den 2020er Jahrgang sagen: Manche werden ihn elegant nennen. Die meisten werden sagen, er sei energisch. Die Weine sind zweifelsohne aromatisch und fruchtbetont. Zwischen all diesen Weinen, die manchmal die Sinne betören und am besten in nächster Zeit getrunken werden, gibt es eine andere Ebene von unbestreitbar eleganten und harmonischen Weinen, die den Gaumen und die Seele beruhigen. Diese Weine bieten süße, reife Tannine und kühlende Säure mit einem Kern aus ausgewogener Frucht. Sie sind anmutig und doch komplex und eindrucksvoll.

Wie ist das möglich? Die Winzer waren aufgrund der Pandemie eingesperrt und beschlossen oft, sich intensiv um ihre Weinberge zu kümmern. Gigliola Giannetti von Le Potazzine sagte, ihr Weinberg sei wie ihr Garten im Jahr 2020: perfekt gepflegt. Andrea Cortonesi von Uccelliera und Voliero beschrieb einen rebsortenbezogenen Ansatz, der ohne die damaligen Einschränkungen nicht möglich gewesen wäre. Iacopo Mori von Il Marroneto erinnert sich: "Keine Flugzeuge, keine Autos, keine Umweltverschmutzung, es war unglaublich."

Der Jahrgang 2020 war zwar heiß, aber nicht annähernd so trocken wie 2019 oder 2021. Tatsächlich fielen zwischen Oktober und Dezember 2019 über 600 Millimeter Regen, im Januar kamen weitere 115 Millimeter hinzu. Dies bedeutete, dass die Wasserreserven für die Vegetationsperiode sehr hoch waren. Der Winter brachte Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, was dazu beitrug, Krankheiten zu reduzieren. Das Frühjahr war relativ trocken, mit rechtzeitigen Regenfällen im April und Mai. Die Temperaturen stiegen bis Ende Mai an und führten zu einer gleichmäßigen und gesunden Blüte, gefolgt von einer längeren Trockenperiode bis in den Sommer hinein. Die aufgestauten Wasserreserven sorgten dafür, dass die Rebstöcke in dieser Zeit gesund blieben und ein üppiges grünes Blätterdach bildeten. Zwischen Juli und August drehte Mutter Natur die Hitze auf, mit durchschnttlichen Temperaturen um die 38 °C, und dies zwang die Reben dazu, ihren Vegetationsprozess zu unterbrechen. Doch schon bald wendete sich das Blatt zum Positiven. Ende August fielen 40 Millimeter Regen, was zu deutlich kühleren Temperaturen führte. Tatsächlich erlebten die Erzeuger im Süden der Appellation eine kühle und verlängerte Erntezeit. Poggio di Sotto und Uccelliera berichteten, dass die Ernte Ende September begann. Im Monat vor der Ernte gab es 30 Tage mit erheblichen täglichen Temperaturschwankungen, sodass die Produzenten oft mit der Ernte warten konnten, bis ihre Reben die volle phenolische Reife erreicht hatten.

Der Erfolg hing also von den Erzeugern ab. Wer war bereit, die Erträge anzupassen, um die Reben nicht zu belasten? Wer hatte den Mut, seine Früchte länger als üblich hängen zu lassen, um sie reifen zu lassen? Wer hatte die Weitsicht, die Mazerationszeiten anzupassen, um mit dem hohen Anteil an Schale und Fruchtfleisch fertig zu werden? Wer hat beschlossen, seinen Riserva-Saft zu deklassieren, um seine Annata zu verbessern? Die erfolgreichen Weine des Jahrgangs 2020 sind umwerfend. Man sollte dennoch wählerisch sein.

Die Kategorie Riserva ist in Montalcino immer recht schwierig. Da ich regelmäßig ältere Jahrgänge verkoste, stelle ich oft fest, dass die Riserva-Weine anmutiger reifen als die reinen Brunellos. Zugegeben, das hat viel mit dem Stil der Weine und den Jahrgängen selbst zu tun. Traditionelle Winzer, die die Vorteile der Riserva-Kategorie voll ausschöpfen und ihre Weine über einen längeren Zeitraum im Fass reifen lassen, werden in einem klassischen Jahrgang wahrscheinlich eine fantastische Riserva erzeugen. Fortschrittlichere Winzer haben damit begonnen, ihre Riserva gleichzeitig mit ihrem Brunello abzufüllen und die Riserva ein Jahr später auf den Markt zu bringen, wie es die DOCG vorschreibt. In diesen Fällen bieten die Winzer den Verbrauchern einen Wein aus außergewöhnlichen Früchten an, der ein weiteres Jahr im Keller gereift ist. Darin liegt ein großer Wert, aber letztlich wird es bei der Kategorie Riserva immer um den Jahrgang, den Erzeuger und den Stil gehen.

Und was macht der Rosso di Montalcino? In den letzten vier Jahren habe ich sehr ausführlich über die Bedeutung des Rosso di Montalcino und seine steigende Qualität gesprochen. Die Winzer in ganz Montalcino haben einen neuen Schwerpunkt auf die Herstellung von Weinen mit tiefem Charakter, Tiefe und Struktur gelegt, die viel länger reifen können als bisher angenommen. Heute übertreffen viele Rosso-Weine aus Einzellagen und Rosso-Weine aus deklassiertem Brunello-Saft die Erwartungen bei weitem. In Jahrgängen wie 2018, 2019 und 2021 erreichte die Rosso-Kategorie ganz neue Höhen und übertraf sogar einige Brunellos in einem Jahr wie 2018. In vielen Fällen sind die Preise gestiegen, aber diese neuen Preise sind sogar sehr oft gerechtfertigt. Ich würde mir wünschen, dass das Consorzio eine neue Klassifizierung des Rosso in Erwägung zieht, die den Verbrauchern helfen würde, zwischen einem Wein, der für den frühen und leichten Genuss bestimmt ist, und einem Wein, der als "Baby-Brunello" fungieren soll, zu unterscheiden. Hoffentlich wird dies in der Zukunft möglich sein." Antonio Galloni (Vinous.com)

James Suckling

"Nach der Verkostung von fast 230 Brunellos des Jahrgangs 2020 in unserem Büro in der Toskana mit Chefredakteur Aldo Fiordelli kann ich mit Sicherheit sagen, dass 2020 ein ausgezeichneter Jahrgang ist, wenn auch nicht auf demselben Qualitätsniveau wie 2015, 2016 oder 2019. Tatsächlich sehen die Brunellos des Jahrgangs 2019 sogar besser aus, als ich sie nach der Verkostung so vieler 2020er in Erinnerung hatte, und wir freuen uns darauf, die Brunello di Montalcino Riservas des Jahrgangs 2019 im Dezember zu bewerten. Die drei erwähnten Jahre waren fantastische Brunello-Jahrgänge mit einer durchgängigen Qualität für fast alle Erzeuger in der Region. Was mich jedoch stark beeindruckte, war die Frische der Brunellos des Jahrgangs 2020, und das trotz der heißen Vegetationsperiode, in der die Temperaturen im August teilweise bis zu 40 Grad Celsius erreichten.

"Die Reben waren im August, je nach Standort, nie im Stress", sagte Cecilia Leoneschi, die Winzerin von Castiglion del Bosco, und fügte hinzu, dass einige vereinzelte Regenschauer Ende August und Anfang September den Reben Erleichterung verschafften und es ihnen ermöglichten, ihr Wachstum fortzusetzen. Außerdem waren die nach Norden ausgerichteten und höher gelegenen Weinberge weniger von der Hitze betroffen und widerstanden dem trockenen Wetter besser. "Wir haben immer einen hohen Säuregehalt, selbst in heißen Jahren", sagte Pier Giuseppe D'Alessandro, Geschäftsführer von Poggio Antico, dem wohl höchstgelegenen Weingut in Montalcino mit Weinbergen auf durchschnittlich 480 Metern über dem Meeresspiegel, und er fügt hinzu: "Unsere Lage beschert uns Weine, die sich durch ihre Frische auszeichnen."

Überraschenderweise war der Alkoholgehalt der meisten 2020er Brunellos, die wir verkostet haben, relativ niedrig. Angesichts der Hitze im Juli und August hätte ich extrem reife Trauben und Weine mit einem Alkoholgehalt von über 15 Prozent erwartet, aber die meisten lagen um die 14 Prozent. Das mag daran liegen, dass viele Erzeuger jetzt früher ernten. "Es hängt alles davon ab, wann man erntet", gibt Lorenzo Sassetti von Sassetti Livio Pertimali zu bedenken und fährt fort: "Man kann das nicht verallgemeinern, weil es die persönliche Entscheidung eines jeden ist, aber ich habe das Gefühl, dass alle Produzenten früher ernten."

All dies lässt mich zu dem Schluss kommen, dass 2020 in der Tat ein Jahrgang ist, der es wert ist, dass man ihn kauft und genießt. Er könnte sogar einen Wendepunkt für die Region markieren, wo heiße und trockene Jahrgänge sowohl in den Weinbergen als auch in den Kellern von Montalcino effektiv gemanagt werden können, um frische, attraktive Weine zu erzeugen. Außerdem schafft dieser Jahrgang eine Art Wohlfühlfaktor für uns alle nach der Pandemie. Überzeugen Sie sich selbst, wenn Sie nächstes Jahr eine Flasche Brunello 2020 öffnen. Bei unserer Verkostung haben wir auch einige Brunellos des Jahrgangs 2019 bewertet, und dabei wurde deutlich, wie fantastisch dieser Jahrgang ist. Vielleicht habe ich den Jahrgang etwas unterschätzt, obwohl zwei Weine 100 Punkte erhielten. Die 2019er haben eine bemerkenswerte Tiefe und Intensität, mit wunderbar geschliffenen und dennoch intensiven Tanninen. Wer sie noch nicht hat, dem empfehle ich sie unbedingt zu kaufen, auch wenn die 2019er Riserva erst im Januar auf den Markt kommen, aber spektakulär sein dürften." James Suckling

Jancis Robinson

"Zusammengefasst: Der Jahrgang 2020 des Brunello di Montalcino tendiert zu einem leichteren, frischeren Stil, übertrifft aber den Jahrgang 2018, mit dem er oft verglichen wird, durch seine größere Komplexität. Auch wenn der Jahrgang 2020 weniger extrem war als die Jahrgänge 2023 und 2024, so war er doch der fünftwärmste Jahrgang seit 1955.

Ein sogenannter Restaurant-Jahrgang? In Italien haben die Erzeuger und die Presse die Brunello des Jahrgangs 2020 als Restaurant-Jahrgang gepriesen – ein Euphemismus für Weine, die vom Moment ihrer Veröffentlichung an trinkreif sind. Das ist an sich nichts Schlechtes, denn oft brauchen die besten Weine selbst nach der verlängerten gesetzlichen Reifezeit von vier Jahren noch mindestens ein halbes Jahrzehnt in der Flasche. Und es stimmt: Die Eleganz und Frische der 2020er sind im Allgemeinen schon heute sehr betörend, und die Weine können ab ihrer Markteinführung im Januar 2025 genossen werden. Und aller Wahrscheinlichkeit nach werden der 2023er und vor allem der 2024er diesen Stil fortsetzen, so dass sich nun die Frage stellt, ob der internationale Markt ihn annehmen wird. Ich denke, das sollte er und das wird er auch.

Während die meisten Brunellos des Jahrgangs 2020 charmant und sehr gut trinkbar sind, haben einige Winzer sogar Weine erzeugt, die es mit den 2019ern und in einigen Fällen sogar mit den 2016ern aufnehmen können. Das sind die Brunellos, nach denen man Ausschau halten sollte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, war dies nicht das Jahr, in dem man sich auf Einzellagenweine konzentrieren konnte (es sei denn, die Erzeuger waren bereit, eine rücksichtslose Auswahl zu treffen, was sich nur die Erzeuger leisten können, die ihre Ware zu einem Preis von weit über 100 € verkaufen können). Daher sind allgemeine oder klassische Brunellos oder Weine, die aus Verschnitten und nicht aus Einzellagen-Brunellos hervorgegangen sind, vielleicht die besten Käufentscheidungen dieses Jahrgangs." Jancis Robinson

Doctor Wine

"Was die bei der Verkostung des Brunello vorgestellten Jahrgänge betrifft, so hat der 2020er eine schöne Leistung erbracht, die trotz der Hitze und des fehlenden Sommerregens eine gute Ausgewogenheit bei den Besten erkennen lässt; außerdem wurde die Ernte trotz der Regenfälle Anfang und Ende September gut bewältigt. Ein harmonischer, trinkfertiger Jahrgang mit gutem Reifepotenzial. Die besten Weine sind beeindruckend komplex." Doctor Wine

So, genug der Theorie, jetzt geht's ans Stöbern, Entdecken und Verkosten der ersten Prachtexemplare des neuen Brunello-Jahrgangs 2020 (und Riserva 2019), in den nächsten Wochen werden noch viele weitere folgen.

Salute! SUPERIORE.DE